Kuba liegt in Sachen Urlaubsreisen sehr im Trend. Von vielen hört man, dass sie zeitnah noch schnell auf die Karibik-Insel reisen wollen, um den einzigartigen Charme, das authentische Flair und die Revolutionsnostalgie noch erleben zu können, bevor es „zu spät“ ist. Das in zahlreichen Reiseführern gefeierte Lebensgefühl auf der Insel darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf Kuba nicht alles Gold ist was glänzt. So wird die Insel von einer Diktatur beherrscht, die ihren Bürgern Menschenrechte wie Meinungsfreiheit oder das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verweigert. Entsprechend zählt das Land im Demokratie-Index einer weltweit angesehenen Zeitung nur zum hintersten Viertel (The Economist, Stand 2015). Darüber hinaus sollte man nicht vergessen, dass Kuba zu den Entwicklungsländern zählt und auf humanitäre Hilfe aus dem Ausland angewiesen ist. So haben auch die Gemeinde Margetshöchheim und die Margetshöchheimer Mitte in den vergangenen Jahren immer wieder Hilfsprojekte auf der Insel unterstützt. Im Rathaus finden sich im Treppenhaus zahlreiche Informationen dazu.
Aktuellen Anlass, an dieser Stelle ausgerechnet über Kuba zu schreiben, gibt der Tod des Revolutionsführers Fidel Castro vergangene Woche. Castro war nicht nur das bekannteste Gesicht Kubas, sondern schon zu Lebzeiten eine fast schon legendäre Figur, die das Land über Jahrzehnten hinweg prägte. 2008 hatte er zwar die Amtsgeschäfte an seinen Bruder Raúl abgegeben. Doch das Regime zehrte bis zuletzt von Fidels Autorität in der Bevölkerung. Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges fällt das Urteil über die Person Fidel Castro bei uns heute allenfalls gemischt, meistens sogar milde aus. So nannte ihn der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau unbekümmrt einem „großen Mann“ - auch wenn diese Aussage von der kanadischen Öffentlichkeit weniger unbekümmert aufgenommen wurde.
In der Tat fällt die Bilanz von Castros Wirken auf Kuba gemischt aus: Gewiss befreite sein Putsch Ende der 1950er Jahre das Land von der Herrschaft des Diktators Batista und emanzipierte es damit vom Einfluss der Vereinigten Staaten. Auch rangiert Kuba nicht auf allen Gebieten auf hintersten Plätzen. So können sich Bildungs- und Gesundheitssystem in Lateinamerika durchaus sehen lassen. Doch Kubas Hinwendung zur UdSSR und die Verfolgung politischer Abweichler inklusive Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit zählen eben auch zum Erbe Castros. Die stagnierende und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks regelrecht kollabierende Wirtschaft werden dagegen zwar häufig allein den amerikanischen Sanktionen zugeschrieben. Doch auch die legendäre Dickköpfigkeit des Revolutionsführers werden hier sehr wahrscheinlich eine Rolle gespielt haben. Seiner Selbstbeurteilung „Die Geschichte wird mich freisprechen“ ist in jedem Fall ein Hohn für die vielen politischen Gefangenen in Kubas Gefängnissen - und auch für viele kubanische Familien, die durch die auch selbstverschuldete Isolation Kubas getrennt wurden. Wenn nun allerorten Nachrufe auf Castro verfasst werden und Staatsmänner aus der ganzen (auch freien) Welt in Havanna ihre letzte Aufwartung machen, darf diese Seite Castros nicht vergessen werden.
Castro mag zwar gewiss nicht in einer Liga mit den schlimmsten Diktatoren des 20. Jahrhunderts spielen. Auch mögen sein Charisma, seine Revolutionärsaura und sein lateinamerikanischen Charme nicht so recht zu den „lupenreinen“ Demokraten Putin oder Erdogan passen. Doch seine Herrschaft und die sich darin offenbarende Grundhaltung verorten ihn im Club der Autoritären dieser Welt. Karibisches Ambiente – manche sprechen sogar von Paradies – und der Kult um den Konrevolutionär Che Guevara sollten darüber nicht hinwegtäuschen. Passenderweise schickt die Bundesrepublik Ex-Kanzler Gerhard Schröder als offiziellen Vertreter nach Havanna. Der kommt mit besagtem Club ja ganz gut zurecht...
Doch zurück nach Margetshöchheim und dem Hilfsprojekt für Kuba, das es aus gutem Grund auch weiterhin gibt.