GroKo, Minderheitenregierung, Neuwahl – was kommt auf uns zu?

Heute Abend treffen Kanzlerin Angela Merkel mit SPD-Chef Martin Schulz und CSU-Vorsitzendem Horst Seehofer bei Bundespräsidident Frank-Walter Steinmeier zusammen. Mit Spannung erwartet werden die Ergebnisse - folgende Optionen bestehen:

Eines ist sicher: Angela Merkel bleibt Bundeskanzlerin. Doch wie ihr Kabinett aussehen wird und ob, wann und von welchen Fraktionen sie erneut zur Bundeskanzlerin gewählt werden wird, das steht noch in den Sternen. Bei all den Spekulationen, die man hierzu in den Medien geboten bekommt, kann man leicht den Überblick verlieren. Wir haben uns die Mühe gemacht, die gegenwärtig möglichen Auswege aus der aktuellen Regierungsfindungskrise für Sie zusammenzutragen:

*(1) *Neuauflage der nicht mehr ganz so großen Großen Koalition

Der von der Bundeskanzlerin (und allem Anschein nach auch vom Bundespräsidenten) bevorzugte Ausweg aus der Krise wäre eine Neuauflage der Großen Koalition. Im Gegensatz zu den Aussagen des SPD-Vorsitzdenden Martin Schulz verfügt diese nach wie vor über eine sehr stabile absolute Mehrheit im Bundestag. Zudem wäre die SPD über ihre Stimmen im Bundesrat selbst im Falle einer Jamaika-Koalition an den allermeisten Gesetzen beteiligt gewesen. Denn CDU/CSU, F.D.P. und Grüne hätten in der zweiten Kammer des deutschen Parlaments (dem Bundesrat) zusammen keine absolute Mehrheit gehabt.

Neben den Spitzen der Union scheinen auch einige aus der SPD-Fraktion (gemäß Münteferings Duktus "Opposition ist Mist!") mitregieren zu wollen statt ihr Dasein als "Halb-Opposition" zu fristen. Daher gilt dieser Ausgang von Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD als wahrscheinlich - selbst wenn dafür eventuell der Parteivorsitzende ausgetauscht werden muss...

(2) „flexible“ Große Koalition

Manche in der SPD wollen regieren, andere opponieren. Eine Möglichkeit, beides zugleich machen zu können, böte eine Koalitionsregierung mit „offenem Koalitionsvertrag“. Konkret soll das bedeuten, dass beide Partner dort, wo sie sich nicht einig sind, auch andere Mehrheiten (gegen den Koalitionspartner) im Bundestag ausloten dürfen. Mangels einer Mehrheit von Rot-Rot-Grün wie in der vergangenen Legislaturperiode sind solche alternativen Mehrheiten für die SPD allerdings äußerst unwahrscheinlich. Zudem bringt eine solche „offene Beziehung“ zwischen den Koalitionspartnern einige Sprengkraft mit in die Regierung. Daher kann man dieses Szenario eher vernachlässigen - auch wenn es ausgerechnet aus der SPD heraus vorgeschlagen wurde.

(3) Minderheitsalleinregierung CDU/CSU

Minderheitsregierungen sind in Deutschland aufgrund ihrer mangelnden Stabilität äußerst unbeliebt. Zudem ist fraglich, ob sich Deutschland in der instabilen Welt des Jahres 2017 solcherlei Experimentierfreudigkeit erlauben sollte. Doch eine CDU/CSU-Alleinregierung hätte für alle Beteiligten Vorteile, weswegen man diese Möglichkeit nicht einfach abtun kann:

· Die CDU/CSU-Fraktion stellt in diesem Szenario die komplette Bundesregierung – vermutlich mit Karl-Theodor zu Guttenberg als CSU-Außenminister und Horst Seehofer als CSU-Wirtschaftsminister (und Parteivorsitzenden). Dabei kämen viele Politiker aus der zweiten Reihe sowie der nächsten Generation der Union zum Zug, was für die Zeit nach Merkel von Vorteil wäre: Der Wähler kann die Mannschaft kennenlernen und vielleicht kristallisiert sich hierbei ein Nachfolger/eine Nachfolgerin für den nächsten Wahlkampf heraus.

Doch abgesehen von den interessanten Postenspekulationen muss eine solche Regierung vor allem Kompromiss- und Dompteursfähigkeiten an den Tag legen. Diese traut man Merkel durchaus zu – gerade auch nach den Sondierungsgesprächen. Denn neben der SPD stünden nach einer gewissen Anstandspause auch F.D.P. und Grüne als alternative Partner und Tolerierer zur Verfügung. Einziger Malus aus Perspektive der CDU/CSU: Man überlässt die Entscheidung, wann die nächste Wahl stattfinden wird, wohl oder übel der oder den Parteien, die einen gerade tolerieren...

· Die SPD könnte eine Unionsalleinregierung tolerieren und gleichzeitig die Oppositionsführung übernehmen. Dieses Spiel kann gründlich daneben gehen, kann aber ebenso gut auch die lange ersehnten echten und zudem konstruktiven Diskussionen zwischen politischen Schwergewichten zurück ins Parlament holen – zumal ja auch F.D.P. und Grüne (als Ablöse oder dauerhaft) die Rolle der Tolerierer übernehmen können. So könnte sich die SPD von den Jahren als Juniorpartner erholen, Kraft für den nächsten Wahlkampf sammeln (der vermutlich vor 2021 stattfinden wird) und muss dennoch nicht ganz von der Macht lassen. Zudem könnte sie die Unionsregierung (in Abspreche mit F.D.P. und/oder Grünen) zu einem Zeitpunkt stürzen, der ihr günstig erscheint. Einzig der Postenmangel trübt den ansonsten nicht ganz so schlechten Deal für die SPD.

· Die Grünen darf man an dieser Stelle auch nicht vergessen, sind CDU/CSU auf deren Stimmen im Bundesrat angewiesen. Können sie die Sondierungsgesprächsergebnisse oder aber ihre Rolle als notwendiger Dritter im Boot tatsächlich in einen Hebel verwandeln, dann siehe (4). Wahrscheinlicher ist da allerdings die Unionsalleinregierung.

(4) Minderheitsregierung CDU/CSU und Grüne

Da CDU/CSU und Grüne sich in den Sondierungsgesprächen persönlich näher gekommen sind, doch ihre Verhandlungsergebnisse nie als Vision für Deutschland vermarktet haben, darf diese Option als unwahrscheinlich gelten. Doch für stabile Mehrheiten sind die Grünen tatsächlich unabdingbar, weswegen man damit anfangen darf, sich an den Gedanken einer schwarz-grünen Regierung zu gewöhnen.

(5) Neuwahlen

Wenn gar nichts geht, gibt es Neuwahlen. Diese Option scheint aufgrund des aktuellen Glyphosat-Missgeschicks von Agrarminister Schmidt für den Moment leider wieder etwas wahrscheinlicher zu werden. Doch alle Beteiligten sind sich der Sachlage bewusst: Kommt es zu Neuwahlen, rollen zuvorderst bei Union und SPD Köpfe. Andernfalls kann man dem Wähler nicht glaubhaft vermitteln, warum es nach der Wahl plötzlich wieder Vertrauen zwischen derzeit noch zerstrittenen Gesprächspartnern geben soll. Daher bleibt es sehr wahrscheinlich erst einmal spannend...