Was sich am Wahlabend abgespielt hat, war ein (absehbarer) Schock – gemischt aus Sorge und Entsetzen hin zu Verärgerung und Enttäuschung, dass es der AfD gelungen ist, eine so starke Protestwelle zu formieren. Sorge, welchen Einfluss offensichtlich nationalistisch, rassistische Tendenzen auf den politischen Betrieb unserer Demokratie haben könn(t)en; Entsetzen wegen der Kampfansage der AfD-Führung, welche gleich zur „Jagd“ aufrief; Verärgerung über die Dreistigkeit, mit welcher rechtsextreme Statements innerhalb der AfD-Kreise ignoriert und relativiert wurden; Enttäuschung über das Wahlergebnis der Regierungsparteien, obwohl es doch einer großen Mehrheit der Menschen in Deutschland gut zu gehen scheint.
Weniger Unzufriedenheit über die eigene Situation, sondern Enttäuschung war wohl das bestimmende Motiv derjenigen, die mit der AfD nicht nur liebäugelten, sondern dieser auch ihre Stimme gaben. Kein verheißungsvolles Wahlprogramm der AfD war der Antrieb wohl für viele der knapp 13 Prozent AfD-Wähler, sondern Protest.
Enttäuscht sein müssen CSU und CDU in der Tat, nicht jedoch beleidigt, nicht jedoch empört gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Denn Protest gehört auch zu einer Demokratie. Sie muss ihn aushalten, auch wenn er aus einer wenig freiheitlich gesinnten Richtung kommt. Eine gewisse Verantwortung für diesen Proteststurm im Wahlergebnis ist allen etablierten Parteien nicht abzusprechen, wenn sie es an Nähe zu den Bürgern haben vermissen lassen. Das gilt auch für die Medien, welche das Feuer der AfD (unbeabsichtigt) angefacht haben.
Auf der anderen Seite ist gut zu sehen, wie viele Menschen – es ist ja eine überragende Mehrheit gegen die AfD und deren Ansinnen – sich in diesen Tagen für unsere demokratischen Werte stark machen. Das ist die richtige Antwort und Vorbild auch für die Politik: einerseits ein klares Bekenntnis für die Werte unseres Grundgesetzes, anderseits eine Sachdiskussion und eine direkte Auseinandersetzung gegenüber den Gegnern dieser Ordnung - damit keine Eskalation und kein unkontrolliertes Losschlagen gegen diese, um nicht in das selbe Horn und damit zur „Jagd“ zu blasen wie die AfD, sondern um diese aus ihrer vermeintlichen Opferrolle herauszulösen und zu stellen. Das ist das eine Mittel, um die so genannte Alternative für Deutschland zu entzaubern. Das andere setzt bei deren Wählern an, die ganz gewiss nicht alle gleich als fanatische Anhänger abzustempeln sind. Gewiss sind unter den AfD-Wählern Rechtsextreme und Trittbrettfahrer, die es nun da mal versuchen. Da sind aber v.a. wohl in der Mehrzahl viele Bürger, welche die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie in Frage stellen, nicht jedoch die Demokratie selbst. Das sind Menschen, welche vielleicht wenig vom Kuchen in den vergangenen Jahren abbekommen haben oder welche Sorge um den schnelle Wandel in unserem Land haben. Wahlen sind eben auch dazu da, dass Bürger ihre Sorgen kund tun können und dass Politiker diese nun in den nächsten vier Jahren ernstnehmen, wollen sie ein solches Wahlergebnis verhindern.
Die Devise muss heißen, deutlich, aber sachlich mit der AfD und ihren Vertretern ins Gericht gehen, nicht aber ihre hoffentlich nur Eintagswähler in der Ecke zusammenzutreiben, sondern aus dieser herauszuholen – vereint in der Mitte, in den demokratischen Werten unseres Landes, das zwar seine Wiedervereinigung vor 27 Jahren feierlich begeht, aber sich weiterhin um deren Voranschreiten bemühen muss. Einheit statt Polarisierung.